Ästhetik und Wahrnehmung von mikrobiotischen Prozessen während der Fermentation

Du kannst sie nicht sehen, aber sie sind da.
Tatsächlich sind sie überall.


Mikroben sind eines der wenigen „Dinge“, die wir nicht wirklich sehen oder kontrollieren können. Das kann beängstigend sein. Weswegen wir aus Angst vor Krankheiten Dinge desinfizieren, pasteurisieren und sterilisieren. Das ist nicht grundsätzlich schlecht, es hat aber dazu geführt, das unser Verständnis von Mikroben oft extrem negativ gefärbt ist.


In meiner Masterarbeit möchte ich eine Szenerie entwerfen, welche die Ästhetik mikrobiotischer Prozesse in vielseitiger Weise zeigt. Denn anders als die Mikroben selbst ist ihre Aktivität und damit ihre Existenz ohne technische Hilfsmittel sichtbar. Mithilfe starker visueller Eindrücke dieser Aktivität soll ein Erstaunen und Interesse beim Betrachter geweckt werden und die Mikroben wieder in ein positives Licht gerückt werden. Als übergeordentes Thema für dieses Vorhaben steht das Fermentieren von Lebensmitteln und den mikrobitoischen Prozessen, die diese dabei durchleben.

 

ÄSTHETIK

 

Bisher habe ich mich vor allem fotografisch und filmisch mit der Ästhetik selbst gezüchteter Mikrobenkulturen in diversen Lebensmitteln auseinandergesetzt, mein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Dokumentation des lebendigen, sich kontinuierlich verändernden Prozesses. Dieser äußert sich beispielsweise in sprudelnd aufsteigenden Luftblasen sowie wachsenden Essig- und Kombuchakulturen. Dabei sind erste amateurhafte Fotografien entstanden, die bereits eine sehr eigene, interessante Ästhetik inne haben. Geplant ist, diese Ästhetik stärker auszubauen, mithilfe von besserem technischen Equipment (Kamera, Licht, Aufbau, …) und weiteren Formen der Inszenierung, wie Licht- und Schattenspielen. Ein interessantes Beispiel ist hier das Wachstum von Nanozellulose, während der Herstellung von Kombucha. Dabei wachsen nach und nach Fäden von der bereits vorhandenen Kultur an die Oberfläche und bilden dort eine neue Ebene. Dies geschieht in relativ kurzer Zeit und lässt sich deswegen gut beobachten und dokumentieren.

 

FERMENTATION

 

Beim Fermentieren von Lebensmitteln sind Mikroben unabdingbar. Erst die Bakterien setzen Umwandlungsprozesse in Gang, die das gewünschte Lebensmittel hervorbringen. Kaffee, Joghurt, Brot, ... Viele Lebensmittel, die wir täglich überall auf der Welt konsumieren wurden mithilfe von Mikroben hergestellt, ohne, dass die meisten sich dessen bewusst sind. Nach meinem aktuellen Wissensstand gibt es keine Kultur, die frei von fermentierten Lebensmitteln ist. Sauerkraut, Kimchi, Natto, ... Oft polarisieren auf diese Weise hergestellte Zutaten oder Gerichte sogar so stark, dass sie die kulinarische Identität einer Gesellschaft prägen. Da ich das Kochen und Essen zum einen als Thematik verstehe, zu der jeder einen sehr intimen Bezug hat und zum anderen als ein global verbindendes Element aller (menschlichen) Kulturen, erscheint mir eine Unterstützung der visuellen Wahrnehmung durch gustatorische Sinneseindrücke sinnvoll. Das Fermentieren als Art der Lebensmittelzubereitung bietet einen Zugang zum Thema Mikrobiologie, der auch auf einer nicht wissenschaftlichen Ebene funktioniert und verstanden wird.

 

WAS RIECHT DU? WAS SCHMECKST DU?

 

Als sinnliche Ergänzung sehe ich begleitend zu der visuellen Ebene eine Verkostung von Proben fermentierter Lebensmittel und /oder Getränke. Zu diesem Zweck  Geschirr und Besteck zu entwerfen und herzustellen, welches sich auf das jeweillige Lebensmittel und dessen mikrobiotischen Prozess bezieht, würde mich reizen. Vorstellen könnte ich mir eine Symbiose/Kombination von Laborobjekten und Essgeschirr, bzw. deren Neuinterpretation hin zu explorativen Objekten einer Genuss/Esskultur.


Labor - steril, kalt, sachlich, wissenschaftlich, nicht essbar/giftig?!
Esstisch/Geschirr: Zuhause, wohnlich, essbar, wohlfühlen, Geselligkeit.


Diese gegensätzlichen Stimmungen harmonisch zu kombinieren, reizt mich für die angestrebte Art der Inszenierung:

Neugierig forschend, faszinierend und kurios andererseits leicht zugänglich, mit den eigenen Sinnen erfahrbar und nicht gänzlich fremd. Um die Merkmale des jeweiligen Lebensmittels sorgfältig herausarbeiten zu können und zu inszenieren, denke ich, dass es von Vorteil ist mich auf 2-3 Proben zu beschränken, die verschiedene Arten von Fermentation repräsentieren, beispielsweise: Kombucha Getränk, Kimchi.