Während der Beschäftigung mit dem Prozess des Vergärens und Fermentierens wurde der Begriff des Ekels oder des Ekligen häufig von Außenstehenden thematisiert. Während Fermentierungsprozessen entstehen Gerüche und visuelle Reize, die uns mitunter an Verwesung oder Fäulnis erinnern können, was bei den meisten Menschen Ekel hervorruft. Häufige Reaktionen und Fragen zu den Versuchen waren:
Das stinkt!
Soll das jetzt einfach da stehen und vor sich hin gammeln?
Ich weiß nicht ob ich das Probieren möchte.
Kann man das dann wirklich essen?
Hör auf beim Essen soviel über Bakterien zu reden, das ist eklig!
Man könnte annehmen, dass Ekel vor allem ein Schutzmechanismus ist, der uns davon abhält unverdauliche oder giftige Nahrung zu uns zu nehmen. Näher betrachtet, stellt sich schnell heraus, dass
das nicht der einzige Faktor sein kann. Zum einen ekeln wir uns vor üblen Gerüchen und Schimmel, denn sie erinnern uns an Verwesung und Tod.
Charles Darwin hat bereits 1872 erste wissenschaftliche Untersuchungen zu Ausdrucksformen von Emotionen unternommen und beschreibt darin unter anderem den Ekel. Nach Darwin ist Ekel eine sehr starke Empfindung, die vor allem im Zusammenhang mit Nahrung und Gerüchen auftritt, aber auch durch den Anblick, die Vorstellung oder Berührung des Ekelhaften. Es wird häufig angenommen, dass Ekel unter anderem ein Schutzmechanismus ist, der sich evolutionsbedingt entwickelt hat und uns davor bewahrt unverdauliche oder giftige Nahrung zu uns zu nehmen. Ekel löst bei allen Menschen eine starke, messbare, körperliche Reaktion aus. Diese äußert sich in einem niedrigem Blutdruck, erhöhtem Herzschlag bis hin zum Würgen oder Erbrechen. Zudem sei eine charakteristische Mimik des Gesicht-Verziehens zu beobachten, welche Darwin bereits dokumentierte. Auch bei kleinen Kindern und bei Blinden (Blind geborene) sei diese Mimik zu beobachten, sie sei also nicht erlernt.
Wir können eine Vorliebe für Schimmelkäse, Kaffee und Wein entwickeln, Dinge, die von Kindern meist abgelehnt werden. Wir sehen, dass andere diese Dinge essen und genießen und lernen daraus, dass es ungefährlich und kulturell akzeptiert ist. Michael Pollan zufolge, einem US-amerikanischen Schriftsteller und Journalisten, handle es sich bei den Assoziationen, die wir zu stark aromatischem Käse haben – zum Beispiel dem Geruch von Käsefüßen, teilweise nicht nur um sich ähnelnde Gerüche, sondern tatsächlich um die gleichen Bakterien, die den Geruch auslösen. Es sei de facto der gleiche Geruch. Ekel kann also überwunden werden, der Kontext und die Sozialisierung sind entscheidend!
Aus gestalterischer Perspektive ist dieser Punkt besonders interessant. Durch eine positive Darstellung und Vermittlung von Information können bestehende Vorurteile und damit einhergehende Ekelgefühle möglicherweise überwunden werden. Schimmel und unangenehme Gerüche während Herstellungsprozessen von Lebensmitteln lösen berechtigte Unsicherheit und Skepsis aus. Ist man über den theoretisch möglichen Verlauf eines solchen Prozesses informiert, kann man dementsprechend reagieren, man weiß, dass dies vorkommen kann und in vielen Fällen harmlos ist. Es gilt dann diesen Lebensmitteln eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken, sie zu beobachten: Ist das was ich sehe wirklich Schimmel? Wie weit ist er vorgedrungen? Ist der Schinken, Käse oder Ähnliches vielleicht noch zu retten? Denn es gibt große Unterschiede in Schimmelkulturen, teilweise sind sie auf Salami oder Käse auch erwünscht und geben diesen einen charakteristischen Geschmack.
Um das Hinterfragen bestehender Unsicherheiten anzuregen, müssen diese ernst genommen und sensibel erörtert werden. Es braucht plausible Argumente und positive, vertrauenerweckende Darstellungsformen. Wissen kann beruhigend sein, einem das Gefühl geben weiterhin die Kontrolle über den Prozess zu besitzen. Auch die Erkenntnis, dass das vermeintlich Ekelhafte, wie die Beteilligung von Bakterien oder Schimmelpilzen bei der Herstellung von Lebensmitteln, eigentlich etwas sehr alltägliches ist könnte helfen, die Angst davor abzulegen.
Quellen:
„Disgust is a sensation rather more distinct in its nature, and refers to something revolting, primarily in relation to the sense of taste, as actually perceived or vividly imagined; and secondarily to anything which causes a similar feeling, through the sense of smell, touch, and even of eyesight.“ Darwin, Charles, Expression of the Emotions in Man and Animals, John Murray Verlag, London, 1872, Seite 254
Pollan, Michael: „Kochen - eine Naturgeschichte der Transformation“, Antje Kunstmann Verlag, München 2014